vft Tagung
Was für ein Kontrast. Die Kollegen kenne ich nur aus Sitzreihen in Hotel-Konferenzzimmern. Nun hocken wir auf schwarz-gelben Würfeln und blicken gespannt nach vorne. Wir befinden uns im Transformationswerk, genauer gesagt im so genannten Luftschloss. Und in der Tat, der Raum wirkt luftig, hell und erzeugt ein völlig anderes Gefühl, als die üblichen Konferenzzimmer. Hier können Gedanken fließen, Kurven nehmen und unerwartet abbiegen. Deshalb sind wir hier, um aus unseren Gedanken-Silos auszubrechen, um die Dinge einmal aus einer neuen Perspektive zu betrachten und einfach mal etwas anderes machen. Ausbrechen aus der Gewohnheit einer Tagungshistorie, die sich in über 1,5 Jahrzehnten gebildet hat.
Ein ungewöhnlicher Start
Der Tag hat schon ungewöhnlich begonnen. Normalerweise bewegen wir uns nach dem Frühstück im Hotel ein paar Meter weiter in den dortigen Konferenzraum. Nicht heute. Wir treffen uns schon um 8:30 Uhr in der Lobby, da wir einen kleinen Fußmarsch vor uns haben. Die 20 Minuten bis zum Transformationswerk geben der Gruppe nicht nur die Möglichkeit die Müdigkeit abzuschütteln und frische Luft zu schnappen, sondern auch, sich über die Erwartungshaltung gegenüber dem Tag auszutauschen. Die Stimmung ist gut, alle sind gespannt. Als wir unser Ziel im Norden von Hannover erreichen, bleibt es ungewohnt. Keine Treppe, nur ein Aufzug möchte uns nach oben bringen. Dieser muss vier Mal hoch und runter fahren, bis alle das Luftschloss erreichen. Dort begrüßt uns Ingo Stoll. Er wird heute unser Begleiter und Anstifter sein. Nach einer kurzen Akklimatisierungsphase hat jeder einen der Sitzwürfel gefunden und Heiko Hanslik begrüßt alle zu einer ungewöhnlichen vft-Tagung. Wir starten im Anschluß mit einer Gewohnheit, der Vorstellung von neuen Produkten, die einige Mitglieder für den Wettbewerb „Innovation 2017“ eingereicht haben. Es soll die einzige Wiederholung einer Gewohnheit im Laufe des Tages bleiben.
Aufbruch ins Abenteuer Zukunft
Dann geht sie los, die wilde Fahrt ins Ungewisse. Unser Lotse Ingo Stoll skizziert das Abenteuer, ohne alle Details zu verraten. Das heute vieles, ja vielleicht sogar alles, anders sein wird als sonst, hat spätestens jetzt jeder verstanden. Wir starten mit einer aktiven Übung, in der wir uns Gedanken darüber machen, was sich für uns persönlich im Jahr 2027 verändert haben wird, und wie dies unsere Kunden empfinden. Keine leichte Aufgabe wie sich herausstellt, um so spannender sind die Ergebnisse (siehe Bildergalerie oben). Die anschließende Diskussion ist elektrisierend, die Erwartungen an die Zukunft sehr unterschiedlich. Gesagtes hält Ingo Stoll in kleinen Blitzlichtern auf einer Tafel fest (siehe Bildergalerie oben).
Ein Blick in die Gesichter zeigt, jeder hängt mit Gedanken in einer ungewissen Zukunft. Gut, dass das Luftschloss Raum für diese Überlegungen bietet. Um die entstandene Unsicherheit einzudämmen und den Menschen auf den ungewohnten Sitzmöbeln wieder mehr Orientierung zu bieten, übernimmt Ingo Stoll das Steuer und die Luftschloss-Matrosen an die Hand. In seiner Impulse-Keynote zeigt er die drei Wege der digitalen Transformation auf. Verstehen, Erleben, Machen. Vor allem Machen, denn, wie Ingo so schön darstellt, gerade in Deutschland gibt es eine kollektive Defizitorientierung. Das Glas ist hierzulande immer halb leer, fast ausgetrunken, statt halb voll. Gerade deshalb geht es um Haltung, aber vor allem auch um Verhalten. Mut und Vertrauen werden nötig sein, um der Transformation in den unterschiedlichsten Branchen zu begegnen. Vor allem der größten Herausforderung: Der Realität der zwei Geschwindigkeiten. Wir nehmen eine bestimmte technologische Entwicklungsgeschwindigkeit an, die aber in der Realität in der Regel ganz anders, meist exponentiell, ist. Der Mensch tickt linear, und somit unsere Organisationen auch. Gut, dass Ingo uns das so deutlich klar macht. Immer wieder begegnet uns als roter Faden auch der Pespektivwechsel und die Einladung unsere gedankliche Konditionierung zu durchbrechen und die Dinge „einfach“ mal anders zu betrachten. Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass Haltung durch neue Impulse durchaus verändert werden kann, aber eine Anpassung des Verhaltens, eine noch größere Herausforderung darstellt.
Reise in den Hafven
Nach gefühlten 60 Minuten ist es plötzlich 12 Uhr, obwohl wir um 9 Uhr gestartet sind. Vielleicht vergeht die Zeit schneller, wenn man über die Zukunft nachdenkt. Ganz real, im hier und jetzt, sind die großen Pizzakartons die auf einmal aus dem Aufzug kommen. Auch bei der Nahrungsaufnahme zeigen wir der Gewohnheit die kalte Schulter. Statt Hotelbuffet gibt es leckere Pizzen im Stehen. Natürlich ist auch Salat dabei. Alle greifen zu und stärken sich, denn unser Guide hat uns ein neues Abenteuer angekündigt. Mit dem ÖPNV soll es auf eine Exkursion gehen. Eine leise Stimme votet für Taxis, aber die Abenteuerlust hat einen großen Teil der Teilnehmer gepackt. Die Pizza ist ebenso reichhaltig, wie die Gespräche über den ungewöhnlichen Vormittag, und so beginnt das Abenteuer mit einer Verzögerung von 10 Minuten, oder anders ausgedrückt: eine Bahn später. Dann stehen wir an einer Straßenbahnhaltestelle und wundern uns. Einerseits weil unser Guide nur ein Poloshirt trägt. Seine nackten Arme stehen im deutlichen Kontrast zu den dicken Jacken der anderen Teilnehmer. Ok, die meisten kommen aus südlicheren Gefilden der Republik. Andererseits wird über die Frage getuschelt, wie denn wohl das mit der Bezahlung der Fahrscheine stattfindet. Aber auch hier werden wir Zeuge der Digitalisierung, den Ingo hat mit seinem Smartphone schon alles klar gemacht.
Einige Stationen später, erreicht die Exkursion ihren nächsten Höhepunkt. Wir müssen umsteigen. Alle raus, über die Straße zur nächsten Haltestelle. Dieses mal warten wir auf einen Bus. Vielfalt, das erfahren wir gerade live, verändert ebenfalls die Perspektive. Dann sind wir am Ziel, mitten im Großstadtdschungel wartet der Hafven auf uns. Kein Wasser, keine Schiffe zu sehen. Aber eine äußerst sympathische Kapitänin mit den schönen Namen Pauline. Sie nimmt uns an die Hand und führt die Gruppe zunächst in einen Work Space. Ja, hier hat es viele Anglizismen, aber die Zielgruppe hält das aus. In großen, hellen Werkstatträumen können sich Profi- wie Hobbyhandwerker einmieten um an Projekten zu arbeiten. Das ist schon ungewöhnlich. Wir treffen auch tatsächlich Menschen die dort arbeiten. Auf Nachfrage bestätigen sie uns, keine Statisten zu sein. Pauline erzählt mit solcher Leidenschaft vom Konzept und den Zielen, dass man eigentlich gleich Mitglied werden möchte. Teure Gravurmaschinen, 3D-Drucker und große Schreiner- und Metallwerkstätten können gemietet werden. Dazu gibt es natürliche auch passende Kurse.
Nach WorkSpace folgt der klassische CoWorkingSpace, in wirklich schönen Räumen. Die Einrichtung ist in der Schreinerei des WorkSpace entstanden. So funktioniert Community. Wir erfahren darüber hinaus einiges über die Entstehungsgeschichte des Hafven, die Gründer und vor allem den Spirit, denn die bereits 700 Mitglieder vorfinden sowie aktiv gestalten. Noch am nächsten Morgen beim Frühstück klingt dies nach und animiert uns zu Diskussionen über Arbeitsplatzmodelle der Zukunft.
Drei heilige Handlungen
Das Abenteuer der Rückreise nehmen wir gelassen auf uns, die Hinfahrt hat uns Selbstbewusstsein tanken lassen. Zurück im Transformationswerk wartet eine Überraschung auf uns. Nicht Ingo gestaltet den nächsten Programmpunkt, sondern Chris Batke, ein Überraschungsgast. Chris ist Coach, Berater und vieles mehr. Er startet gleich durch und berichtet über die „Agile Selbstorganisation mit der Realizer-Methode“. Wir halten uns nicht lange mit der Theorie auf und starten mit einer ganz konkreten Aufgabe, mit der uns Chris für die nächsten Stunde aktiviert. Dabei zeigt er Fingerspitzengefühl, achtet darauf, dass alle dabei sind und bleiben, und reicht, wenn nötig, die helfende Hand. Jeder von uns Teilnehmern tut sich etwas schwer, mit der Reflexion über die größte Herausforderung, sowie der davon abgeleiteten Vision und der Definition konkreter Maßnahmen. Am Ende stehen aber bei den meisten die „drei heiligen Handlungen“. Diese sollen uns von nun an jeden Tag begleiten, und uns dabei helfen, produktiver in den Arbeitstag zu starten. Diese Transferaufgabe steht dann im Mittelpunkt der Gespräche in der nachfolgenden Pause.
Haben Versicherungen eine Zukunft?
Die Pause tut gut, den Ingo fordert seine Gäste erneut, in dem er uns den nächsten Speaker vorstellt. Unser Gastgeber, die Agentur neuwaerts, hat einen Geschäftsführer zu uns entsandt. Jörn Hutecker gibt uns tiefen Einblick in das Zukunftsprojekt (futurX) einer großen Versicherung. Er erzählt, wie es gelingen kann, durch die Installation eines Labs, einen großen „Tanker“ anzustoßen. Auch wenn so ein Schubs bei einem Konzern nur langsam eine Richtungsänderung bewirkt, so wird er dennoch nach und nach den Kurs wechseln. Natürlich gibt es Widerstände. Aber auch schon vorher gab es Pläne die nicht aufgegangen sind, so dass die Vorstände den Wandel vorantreiben wollen. Das sie dabei externe Hilfe benötigen ist völlig klar. Intern gibt es zu viele Hürden, Beharrungskräfte und Menschen die in der Vergangenheit leben. Dabei wird deutlich, das ein- und festgefahrene Prozesse und Denkweisen, die Zukunftsorientierung und offene Überlegungen stark blockieren.
Feedbackrunde mit Brot
Dann ist auch diese virtuelle Exkursion in die Versicherungslandschaft vorbei und somit auch der offizielle Teil der Tagung. Doch bevor alle aufbrechen, gibt es noch eine Feedbackrunde. Diese gestaltet sich genauso überraschend wie vieles andere heute. Die meisten Teilnehmer geben ein Feedback, alle äußern sich sehr positiv zum Tag. Es ist deutlich zu hören, dass in vielen Fällen die Erwartung übertroffen wurde. Großartig.
Die Teilnehmer laufen zurück ins Hotel, lassen das Erlebte und Gehörte Revue passieren. Viel Input, viel Gedankenfutter. Schon eine Stunde später ein erneuter Aufbruch – dieses Mal mit den gewohnten Taxen. Das Ziel ist wieder ein ungewöhnliches. Im Restaurant 11a, bzw. der dazugehörigen Bar, erwartet uns nicht nur ein außergewöhnliches Ambiente, sondern auch das Brot der Freunde, welches uns Inhaber Christoph Elbert vorstellt.
Wir erleben einen sehr starken Kontrast. Während wir am Tag im lichtdurchfluteten Luftschloss viel über Digitalisierung hörten, erhalten wir nun, am Abend, in der sehr dunklen und gemütlichen Bar einen interessanten Einblick in das uralte Handwerk des Brot Backens. Das Ergebnis spricht für sich. Das Brot ist sehr lecker und ist der Star des Abends. Der ein oder andere nimmt sich sogar einen Laib mit nach Hause.
In dieser Atmosphäre führe ich auch für mich persönlich ganz wunderbare Gespräche, und als ich später reflektierend in meinem Hotelbett liege, habe ich zwei wesentliche Erkenntnisse: Es war ein sehr wertvoller Tag und die Transformation ist in vollem Gange. Wir sollten ihr mit offenen Armen und Freude begegnen.
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