Der dänische Klötzlebauer wurde in diesem Monat, genauer gesagt am 10. August 2017, 85 Jahre alt. Aber halt. Klötzlebauer? Ok, ich fange nochmal an. Der größte Spielwarenhersteller der Welt wurde vor einigen Tagen 85 Jahre alt. Seit über 85 Jahren werden also in Billund, einem kleinen Ort in Dänemark, Spielwaren entworfen, die nicht nur Kinderherzen erfreuen. Und genau das, ist vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis.
Die Geschichte von LEGO war in den Anfängen von vielen Rückschlägen gezeichnet, aber auch von Innovationskraft und Mut. Der im Titel verlinkte Film erzählt die LEGO-Geschichte auf wunderbare Weise. Natürlich gibt es auch andere große und erfolgreiche Hersteller, allen voran Playmobil aus Deutschland. Aber auch Mattel, Hasbro und weitere große Konzerne.
Kundenbegeisterung aus Dänemark
Aber niemand in diesem Markt, und das berechtigt den Auftritt dieses Geburtstages in einem Blog über Kundenbegeisterung, hat so viele Fans. Und damit meine ich nicht nur Fans bei Facebook (über 12 Mio.) & Co. sondern die Kunden. Ok, du wirst jetzt sagen es ist leicht Kinder mit teuren Geschenken zu begeisterten Fans zu machen, da diese ja selbst nicht bezahlen. Aber ich spreche von den Menschen die am Ende des Kaufprozesses an der Kasse bezahlen.
Tillykke med fødselsdagen
Zum Geburtstag, am Abend des 10.08.2017, besuchte ich den LEGO Brand Store in Saarbrücken. Keine Anzeichen von Geburtstagsfeierlichkeiten. Business as usual, und das im besten Sinne. Ein freundliches Hallo für jeden der den Laden betritt, da sich immer ein Mitarbeiter in der Nähe des Ein- und Ausgang aufhält um die Gäste zu begrüßen und zu verabschieden. Was grundsätzlich dabei auffällt, egal ob Saarbrücken, Frankfurt oder Berlin, alle Mitarbeiter in den Stores sind extrem freundlich und sehr hilfsbereit. Dabei sind sie aber nicht künstlich oder gar aufdringlich. Sie vermitteln auf authentische Weise den Spaß, den die Marke ausstrahlt und in die Spielzimmer dieser Welt bringen möchte. Selten erlebe ich im Einzelhandel diese emotionale Form der Kundenzentrierung.
Im August erschien LEGO Boots, ein kleiner Roboter der von Kindern mit einer App leicht programmiert werden kann und die kleinen Fans somit spielerisch an das Thema Programmieren heran führt.
In der Zwischenzeit gibt es rund um die bekannteste dänische Marke viele Superlativen. Dabei ging es dem Unternehmen zu Beginn der 2000er Jahre nicht gut. Ähnlich wie später Märklin, hatten sich die Manager verzettelt. Das Sortiment wurde immer breiter und die Kernwerte, die für die Kunden so wichtig sind, wurden somit verwässert. Die Marke DUPLO (größere Steine für die ganz kleinen Baumeister) wurde eingestellt und es gab keine Neuerungen mehr in der Kernserie Legoland (heute „City“). Man versuchte mit prominenten Marken wie „Harry Potter“ und „Star Wars“ das Geschäft anzukurbeln, aber die Verkäufe stagnierten und die Lizenzgebühren waren hoch. Im Jahr 2003 machte LEGO fast 200 Mio. Euro Verlust. Ein völlig unerwarteter Erfolg im Weihnachtsgeschäft mit der untypischen Serie „Bionicle“ rettet das Unternehmen vermutlich vor dem Aus.
Change Management
Im Jahr 2004 übernahm dann Jørgen Vig Knudstorp die Unternehmensleitung. Er arbeitete zuvor bereits als Berater von McKinsey für LEGO, wechselte ins Unternehmen und war dort ab 2003 Finanzchef. Ein Jahr später wurde er CEO. Knudstrop war ein Glücksfall und führte das Unternehmen bis Anfang 2017 nicht nur aus der Krise, sondern zu großer Strahlkraft. Knudstrop sanierte wirtschaftlich, und verlagerte einen Großteil der Produktion aus anderen europäischen Ländern nach Tschechien. Bereits im ersten Quartal 2005 lag der Verlust nur noch bei knapp 15 Mio. Euro. Vor allem aber fokussierte sich die Marke wieder auf Kernprodukte rund um die klassischen Steine und die Standardserien erhielten ein Redesign. Die Vielfalt wurde reduziert und somit auch die Produktionskosten gesenkt. Die beliebte Einstiegsmarke DUPLO wurde wieder ins Programm genommen und trägt bis heute einen Teil zum Erfolg bei. LEGO macht heute ca. 3,5 Mrd. Euro Umsatz und beschäftigt über 13.000 Menschen.
Fokussierung
Der Fokus auf das Kerngeschäft und die Produkte der ersten Stunde ermöglichten die Wende. Noch heute passen die berühmten Plastiksteine mit denen aus den 1960er Jahren zusammen. Sie werden heute aus anderem Material hergestellt und es gibt eine große Farbenvielfalt, aber die Grundsätze sind gleich geblieben. Die klassischen Steine im Format 2×2 oder 2×4 bieten exakt den gleichen Spaß wie vor 50 Jahren und die Kombinationsvielfalt macht immer noch einen großen Teil der Faszination und des Erfolges aus. Bereits mit zwei Standardsteinen im Forma 2×4 hat der Baumeister 24 Kombinationsmöglichkeiten. Kommt nur ein einziger Stein der gleichen Größe hinzu, sind es bereits 1.560 Kombinationen. Mit vier solcher Steine in der Hand, und viel Zeit, kann der Spieler fast 120.000 verschiedene Verbindungen herstellen.
Bis heute ist ein Teil des Erfolges auch den Lizenzprodukten zu verdanken. Vor allem die Star Wars Reihe, in den letzten Jahren durch die neuen Filme gepusht, ist ein Bestseller – vorwiegend bei Erwachsenen. Die jugendlichen Fans erfreuen sich vor allem an Superhelden aus dem Marvel-Universum. Da diese Lizenzen jedoch auch weiterhin viel Geld verschlingen, entwickelte LEGO immer wieder eigene neue Serien. Zu den erfolgreichsten gehört sicherlich Ninjago, eine Geschichte von vier Ninjas und den alten Kampf von Gut gegen Böse. Im September 2017 erscheint ein Kinofilm, schon lange gibt es eine Fernsehserie, Magazine, Sammelkarten, Bücher und natürlich jedes Halbjahr neue Sets. Die Marketingmaschinerie läuft wie geschmiert und auch die SocialMedia-Kanäle werden hervorragend bespielt.
Fans kaufen regelmäßig
Zurück zu den Fans. Ja, LEGO-Kunden sind fast immer Fans. Sicher gibt es auch Gefangene (siehe Fan-Prinzip), in diesem Fall meistens Eltern die sich gezwungen sehen für die Kinder LEGO-Produkte zu kaufen. Aber die meisten Kunden sind sicherlich Fans, emotional gebunden und kaufen sehr regelmäßig. LEGO-Produkte sprechen vor allem auch Sammler, und somit viele Erwachsene an. Dies liegt unter anderem an den Serien Ideas, Creator Expert, Technik und den Eisenbahn-Sets. Hier zeigt sich vor allem, dass LEGO sehr emotionale Produkte erzeugt. Warum sollen sich Erwachsende sonst 1.000 Plastiksteine für 100 Euro kaufen, zusammenbauen und in einer Vitrine verstauben lassen?
LEGO-Produkte waren in den letzten Jahren auch eine hervorragende Geldanlage. Renditen von 200% oder 300% sind in der Creator Expert Serie normal und in Einzelfällen wird auch das zehnfache des Kaufpreises im Wiederverkauf erzielt. Vor allem wenn die Verpackung noch original verschlossen ist. So kaufen viele AFOLs (Adult Fans of LEGO) solche Sets zweimal. Sobald das Set im Handel nicht mehr verfügbar ist, steigt sein Wert und refinanziert somit die eigene Anschaffung. Aber wie immer in Märkten mit außergewöhnlicher Rendite, gibt es auch viele Anbieter die es übertreiben und vor lauter Gier den Markt auf Dauer kaputt machen. LEGO reagiert darauf und läßt heute die großen Sets (jenseits der 100 Euro) länger im Programm. Sicher gibt es immer noch Sammler die bereit sind ein Eisenbahnset für 400 oder 600 Euro zu kaufen, die der Verkäufer mit 20% bei Toys r us für 100 Euro erworben hat. Aber diese Fälle werden wohl seltener. Auf diese Art und Weise erhält LEGO wertvolle Informationen, wie viel Geld viele Kunden bereit sind tatsächlich für ein begehrtes Set auszugeben. Dies läßt bei LEGO sicher die Frage entstehen, warum man diese Beträge nicht selbst erzielt.
LEGO MOCs (My own creation) sind wundervolle Beispiele, was mit den kleinen Klötzchen s alles möglich ist.
Solche Wertsteigerungen sind nur durch eine hohe Anzahl an Fans möglich. Vergleichbar mit Preisen für Tickets wichtiger Fußballspiele, oder ausverkauften Konzerten, seltenen Ausgaben von Büchern usw. Zur Erinnerung: Fans von Unternehmen geben mehr Geld aus, verzeihen Probleme und sind sehr treu. Das ist LEGO perfekt gelungen. Es gibt weltweit eine riesige Community die eigene Marktplätze generiert. So ist www.bricklink.com der größte Umschlagplatz für gebrauchte LEGO-Teile und ermöglich vielen Kleingewerbetreibenden eine große Anzahl internationaler Kunden. Es gibt viele Blogs die sich mit der Marke beschäftigen und dabei durchaus Einnahmen erzielen. In Deutschland sind dies vor allem Zusammengebaut, Promobricks und die Klemmbausteinlyrik. Die Preisalarmplattform brickmerge behält für den LEGO-Fan die Angebote im Auge.
Kunden im Produktmanagement
LEGO ist nicht nur vorbildlich hinsichtlich Fangenerierung, sondern auch beim Einbezug der Kunden in die Produktentwicklung. Während viele andere Firmen sich erst darüber Gedanken machen, oder glauben durch eine Umfrage die Kunden einzubeziehen, gibt es bei LEGO die Ideas Reihe. Auf einer Plattform reichen LEGO-Fans eigene Kunstwerke ein. Alle Vorschläge die von der Community mehr als 10.000 Likes erhalten, werden von LEGO geprüft und pro Jahr werden in der Regel mindestens zwei der Vorschläge umgesetzt und kommen in der Verkauf. Der „Designer“ erhält von jedem verkauften Set einen Share. Somit haben nicht nur die kreativen Meisterbauer Einfluss auf die Produktpalette, sondern die ganze Community, indem sie auf der Plattform abstimmt.
Aber es gibt auch Kritik an LEGO, immerhin sind die Produkte aus Kunstoff, genauer gesagt aus Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer (Kurz: ABS). Der Stoff wird in vielen anderen Industriezweigen ebenfalls eingesetzt und ist problemlos wiederverwertbar. Es scheint als wäre man sich in Billund der Verantwortung gegenüber der Welt, in die die Kundschaft hineinwächst, bewusst. Seit 2017 deckt der Konzern seinen kompletten Energiebedarf durch erneuerbare Energien. Darüber hinaus wurde bspw. eine sehr lukrative Zusammenarbeit mit der englischen Tageszeitung Daily Mail gekündigt und sich der Kampagne Stop Funding Hate angeschlossen, da die Daily Mail im Rahmen der Flüchtlingskrise sich sehr weit rechts positionierte. LEGO musste von vielen „Kunden“ massiv Kritik einstecken, da die Dänen der Daily Mail immer wieder kostenfrei so genannte Polybacks beigefügt hatte. Nun gab es tausende von britischen Kindern die diese LEGO-Geschenke vermissten.
Erneuter Umbruch
Parallel zu den Geburtstagsfeierlichkeiten gab LEGO in der gleichen Woche überraschend bekannt, dass Bali Padda, der dieses Amt erst seit 8 Monaten innehatte, als CEO der LEGO Group abgelöst wird. Jedoch war der Brite Padda bereits seit 15 Jahren im Konzern und wird als Berater der LEGO Brand Group erhalten bleiben. Ihm folgt Niels B. Christiansen, der interessanter Weise einen sehr ähnlichen Lebenslauf wie sein Vor-Vorgänger Jørgen Vig Knudstorp vorzeigen kann. Er begann ebenfalls bei McKinsey und war dann unter anderem CEO bei GN Netcom und Danfoss. Er hat keine Erfahrungen im Bereich Spielwaren, gilt aber als Topmanager, wie auch Knudstorp betont, der zwischenzeitlich der LEGO Brand Group als Chairman vorsteht. Hauptaktionär ist weiterhin Kjeld Kirk Kristiansen, der Enkel des Firmengründers. Er war selbst bis 2004 CEO und hat drei Kinder.
Innovation entsteht aus Lust oder Leid
85 Jahre alt, seit 1949 gibt es den berühmten LEGO-Stein. Eine grandiose Geschichte einer Familie, die immer auf eine emotionale Bindung zu ihren Kunden setzte und aus der Not heraus oft innovativ wurde. Heute sind LEGO Produkte aus den Kinderzimmer weltweit nicht wegzudenken.
LEGO in Unternehmen und Schulen
Aber auch in Schulen und modernen Firmen ist LEGO-Zuhause. LEGO Education liefert Schulen unterrichtsspezifische Materialen und mit LEGO Serious Play haben die Dänen gemeinsam mit zwei Professoren einen moderierten Prozess entwickelt, der dabei helfen soll Geschäftstrategien zu entwickeln und die Zusammenarbeit von Teams zu optimieren. Auch für Serious Play gibt es spezielle Materialen und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm.
Ob LEGO weiter wachsen wird bleibt abzuwarten. Aktuell sieht es eher nach einem Umsatzrückgang aus. In wenigen Tagen, am 5. September 2017, wird die Halbjahresbilanz vorgestellt. Es ist bestimmt kein Zufall, dass einen Monat zuvor der CEO-Wechsel angekündigt wurde. Die Gründe für die vermeidlichen Schwierigkeiten sind in der Fan-Szene schnell ausgemacht. Zu hohe Preise, Plagiate in Asien, zu viele Produktlinien. Allerdings zeigen intensive Diskussionen auch, dass es eine treue Fans-Szene gibt und niemand, auch diejenigen die sich aufregen, sich von der Marke abwendet.
Die Produkte sind toll, aber ehrlich gesagt auch teuer. Doch wer treue Fans hat, kann viel ausprobieren und hat einen großen Vertrauensvorsprung. Morgen wird das größte LEGO-Set aller Zeiten (ca. 7.500 Teile) erscheinen. Es gibt noch keine Preisangabe, aber die große Neuauflage des Millennium Falken aus der Star Wars Reihe soll möglicherweise 800 Euro kosten. Dennoch wird es genügend Fans geben die sich das Set nicht nur kaufen, sondern möglicherweise auch in den Keller legen, in der Hoffnung das es irgendwann einmal das Vierfache Wert ist. So etwas tun nicht viele Kunden anderer Unternehmen. So etwas tun nur Fans, von denen kein Unternehmen genug haben kann. Deshalb solltest du heute damit beginnen aus deinen Kunden Fans zu machen.
LEGO® ist eine geschütze Marke der LEGO Group, Billund (Danmark).
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