Es ist der 8. Mai 1978. Geschichte wird geschrieben. Außergewöhnliche, beeindruckende Geschichte. Es ist etwas passiert, was alle Experten für unmöglich hielten. Der Geschichtsschreiber wird heute 75. Herzlichen Glückwunsch Peter Habeler.
Zwei Jahre später, im Sommer 1980, war ich im Zillertal (Tirol, Österreich) im Urlaub. Ich war 12 und ein Urlaub mit der Mutter in den Bergen war nicht gerade das, was einen angehenden Teenager begeistert. Unerwartet kam es zu einem Highlight. Wir wohnten in einem kleinen Hotel in Mayrhofen, hatten kein Auto, und so buchte meine Mutter eine Art „Hüttenabend mit Lesung“. Ich kann mich nicht mehr wirklich an diesen Abend erinnern, aber die Geschichte um die es ging, hat sich in Form eines Buches manifestiert, welches noch heute zu meinen wertvollsten Besitztümern zählt.

Peter Habeler
Ich habe als Kind viel gelesen, andere Formen der Freizeitbeschäftigung waren Ende der Siebziger Jahre beschränkt. Fußball, ein paar Spielzeugautos und Bücher. Neben typischen Kinder- und Jugendbüchern, waren es auch echte Abenteuergeschichten die mich faszinierten. Der Bau des Eiffelturms, die Entstehung der Suez-Kanals, der Bau der Eisenbahn im Wilden Westen; das waren aufregende Geschichten. Menschen die gegen viel Widerstand ihre Ziele erreicht und Träume verwirklicht haben.
Diese Reihe von echten Abenteuergeschichten in meiner kleinen Büchersammlung, wird an einem Sommerabend im Zillertal ergänzt. Mit gelben Buchstaben steht da auf dem Titel „Der einsame Sieg„. Auf der Innenseite ist mit Kugelschreiber „Mit besten Grüßen, Peter Habeler“ geschrieben.

Als Peter Habeler so alt ist wie ich in diesem Sommer 1980, hatte er schon die meisten Dreitausender des Zillertals alleine erklettert. Für einen 12 jährigen selbst in Tirol eher außergewöhnlich. Diese Entwicklung setzt sich fort, immer weiter geht es nach oben. Das Zillertal reicht bald nicht mehr aus und so führen die Routen auch in anderen Ländern zum Gipfel. Habeler gehört zu den ersten Europäern, die die berühmten Big Walls im Yosemite Valley Kalifornien angehen und klettert unter anderem mit dem legendären Doug Scott als 12. Seilschaft die Salathé-Route am El Capitan.
1966 trifft er in den Dolomiten auf einen gewissen Reinhold Messner. Die beiden stellen schnell fest, dass sie sowas wie „Brüder im Geiste“ sind. Anspruchsdenken und Grundphilosophie in Sachen Bergsteigern stimmen überein. Sie klettern immer häufiger gemeinsam und bilden bald eine außergewöhnliche Seilschaft die über Europa hinaus, an den Bergen der Welt schwierige Routen meistert. In den 1970er Jahren geht es dann auch in den Himalaya und seine Ausläufer in Pakistan, das Karakorum. Dort steht unter anderem der Hidden Peak, mit 8.080 Meter, der elfthöchste Berg der Welt. 1975 erreichen der Zillertaler und der Südtiroler diesen Gipfel. Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein Achttausender im reinen Alpinstil, also ohne Höhenlager und ohne das Anbringen von Fixseilen bestiegen. Auch Flaschensauerstoff wird nicht eingesetzt, die Seilschaft ist mit extrem wenig Last und somit sehr schnell unterwegs. Dort entsteht die Idee, dass es so auch auf den höchsten Gipfel gehen müsste.
Everest by fair means
Ich las das Buch von der Besteigung 1978 als Jugendlicher viele Male und irgendwann geriet es in Vergessenheit. Als 1996 die Nachricht der großen Katastrophe am Everest durch die weltweite Presse ging, erinnerte ich mich wieder an das Buch, las es erneut und begann mich intensiver mit der Geschichte des Everest zu beschäftigen. Nach der Lektüre des Buches war mein Interesse am Everest geweckt, so viele spannende Geschichten schien es zu geben.
Die Geschichte des höchsten Berges auf der Erdkugel ist faszinierend und geht bis in das 19. Jahrhundert zurück, als er bei Vermessungen in den 1850er Jahren seinen Namen bekam. Die Briten bestimmten damals die Höhe aus rund 200 km Entfernung auf 8 Meter genau. Selbst Menschen die sich nicht für Berge interessieren, kennen die Geschichte von George Mallory und Andrew Irvine, die 1924 beim Versuch den Everest zu besteigen verschollen sind. Spektakulär war 1999 der Fund der Leiche von Mallory. Bis heute streiten sich die Experten ob die beiden ganz oben gewesen sein können. Es ist eher unwahrscheinlich. Sir Edmund Hillary und der Sherpa Tenzing Norgay waren dann 1953 die ersten Menschen auf dem höchsten Gipfel der Welt.
Die Puristen unter den Bergsteigern sagen, dass die echte Erstbesteigung am 8. Mai 1978 stattfand. An diesem Tag wurde durch Peter Habeler und Reinhold Messner Unmögliches möglich gemacht, der höchste Punkt der Erde wurde ohne zusätzlichen Flaschensauerstoff erreicht.
Unmöglich
Alle Experten sagten es ist nicht möglich. Die Prognose hieß: Wenn ihr Glück habt und lebend wieder zurück kommt, dann als Idioten. Die Mediziner gingen einfach davon aus, dass durch den geringen Sauerstoffgehalt in dieser Höhe zu viele Gehirnzellen absterben und prognostizieren den sicheren Tod. Aber es war wie immer in der Geschichte der Menschheit
Alle sagten es ist unmöglich, bis einer kam der das nicht wusste und es einfach gemacht hat

Messner und Habeler waren damals die beste Seilschaft auf dem Planeten und körperlich wie mental sehr stark. Sie waren extrem fokussiert und 1978 am Everest bestens vorbereitet. Sie verfolgten keinen naiven Traum, denn seit der Besteigung des Hidden Peak im Alpinstil und ohne zusätzlichen Sauerstoff wussten sie, dass auch der Everest im Bereich des Möglichen liegt. Natürlich waren sie sich nicht sicher, ob es zu schaffen sei, aber sie glaubten daran. So wie viele große Abenteurer und Entdecker vor ihnen. Der Erfolg von Peter Habeler und Reinhold Messer am 8. Mai 1978 ist ein Meilenstein der Alpingeschichte.
Geht nicht gibt’s nicht
Heute bin ich viele Jahre von den zwölf damals entfernt, und in meinem Berufsleben habe ich unzählige Male den Satz „Das geht nicht“ gehört. In Gesprächen, Meetings, Brainstormings, Workshops etc. Und dabei sind in alltäglichen Fällen die Hürden meist meist viel kleiner als bei einer Everest Besteigung.
Martin Gaedt beschreibt in seinem Buch Rock your idea, dass vor jeder großen Idee jemand gesagt hat „Das geht nicht.“. Es ist hilfreich sich dies immer wieder vor Augen zu führen. Jeder große Entdecker, Erfinder und Veränderer der Geschichte wurde vor seinem Erfolg als Spinner belächelt, so wie heute beispielsweise Elon Musk für seine Pläne den Mars zu besiedeln.
Als Carl Benz die Idee verfolgte, dass eine Pferdekutsche auch alleine fahren könnte, war er ein Spinner, genauso wie Thomas Alva Edison, der schon in der Schule von den Lehrern als „dumm“ aussortiert wurde. Ein Landung auf dem Mond galt als Hirngespinst und ein Gerät dem man einfach sagen kann es soll das Licht anmachen als Sience Fiktion. Elektrizität, Eisenbahn, Autos, Flugzeuge – alles war zuvor unmöglich. Ein Unternehmen von zwei Studenten in der Garage gegründet, dass die Welt verändert? Unmöglich. Wenn heute jemand sagt, dass irgendwann jemand Google, Apple oder Facebook verdrängen wird, erhält er als Antwort „unmöglich“. Können die Deutsche Bank, Daimler oder VW in 10 Jahren vom Markt verschwunden sein? Unmöglich? Was war mit Kodak oder Nokia?
Die Werbeslogans „Geht nicht gibt’s nicht“ (Praktiker) und „Nichts ist unmöglich“ (Toyota) sollten in unserem beruflichen Alltag der Maßstab sein und das berühmte Zitat von Walt Disney in jedem Büro hängen.
If you can dream it, you can do it.
Mit 75 durch die Eiger-Nordwand
Neben dem Mount Everest gibt es natürlich noch andere Berge über die es viele Geschichten zu erzählen gibt. Dazu gehört definitiv der Eiger in der Schweiz, bzw. dessen berühmte Nordwand, die gerne auch als „Wand der Wände“ bezeichnet wird. Es gibt unzählige Bücher und viele Dokumentationen, ja sogar Spielfilme, die sich mit der Eiger-Nordwand beschäftigen. Ich stand selbst schon am Fuß dieser 1.800 Meter hohen Wand, ein unglaublich beeindruckender Anblick.
Am 15. August 1974 demonstrierte die Seilschaft Habeler & Messner der Bergsteigerwelt bereits ihr außergewöhnliches Können. In nur 10 Stunden durchstiegen die beiden Ausnahmekletterer die Eiger-Nordwand. Dieser Rekord sollte 30 Jahre bestehen bleiben.
43 Jahre später, im März 2017, stellte Peter in der Eiger Nordwand erneut einen Rekord auf. Mit fast 75 Jahren ist er der älteste Mensch der erfolgreich diese Wand durchstiegen hat. Begleitet wurde er vom derzeit vielleicht besten Alpinisten der Welt, David Lama. Damit schließt sich ein Kreis, denn Peter Habeler war es, der David Lama als kleinen Bub entdeckte und sein außergewöhnliches Talent förderte. Eine emotionale Beziehung. Die Geburtstagstour wurde gefilmt und kann derzeit bei ServusTV in der Mediathek angesehen werden. Großartige Bilder zweier grandioser Alpinisten aus verschiedenen Generationen.
Wiederholung täglich erwünscht
Auch David Lama hat in der Zwischenzeit als unmöglich geltende Routen gemeistert und ist auf beeindruckende Art seinem Entdecker gefolgt.
Lieber Leser, lass uns auch jeden Tag versuchen Unmögliches möglich zu machen. Dazu bedarf es keiner extremen Kletterroute. Wir müssen im Arbeitsalltag nur ein „Das geht nicht.“ ignorieren, unsere Gedanken und Ideen weiter verfolgen, entwicklen, es anders probieren, die Perspektive wechseln und manchmal auch einfach nur Geduld haben. Denn: Geht nicht gibt’s nicht.
Happy Birthday
Heute, am 22. Juli 2017, wird Peter Habeler 75 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch Peter und vielen Dank für das Buch, welches mich schon so lange begleitet. Ich habe in der Zwischenzeit mehr als 100 Bücher über Bergexpeditionen, doch „Der einsame Sieg“ ist mir immer noch das Wichtigste. In diesem Sommer kehre ich nach 37 Jahren ins Zillertal zurück. Vielleicht sehen wir uns ja.
Wenn du bis an diese Stelle gelangt bist, hast du mir und meinen Gedanken Zeit gewidmet. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken, denn Zeit ist ein sehr wertvolles Gut. Solltest du das Gefühl haben, dass die Zeit gut investiert war, dann teile doch bitte den Artikel über ein Social Network deiner Wahl. Einfach den entsprechenden Share-Button unterhalb dieser Zeile anklicken. Vielen, vielen Dank.