New Work ist in der Arbeitswelt eines der größten Schlagwörter der letzten Jahre. Es ist eine regelgerechte Bewegung entstanden, die der Frage nachspürt, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten wollen und müssen. Das ist gut so. Was mich in diesem Zusammenhang allerdings immer wieder wundert ist, dass wir unseren Sprachgebrauch nicht entsprechend anpassen. New Work mit Old Language.
Menschliche Mittel
Fangen wir mit dem offensichtlichsten an. In jedem Artikel, jedem Vortrag, jedem Podcast und jedem Gespräch über und rund um New Work, fällt mehrfach die Abkürzung HR (ätschahr). Diese zwei Buchstaben stehen für „Human Ressources“. Übersetzt man diesen Begriff ins Deutsche sind das „menschliche Mittel“. Es ist mir unbegreiflich, wie man gleichzeitig über New Work und menschliche Mittel sprechen kann.
Schauen wir in den Duden. Dort wird Ressource wie folgt definiert: „natürlich vorhandener Bestand von etwas, was für einen bestimmten Zweck, besonders zur Ernährung der Menschen und zur wirtschaftlichen Produktion, [ständig] benötigt wird“. Natürlich vorhandener Bestand. Noch Fragen?
Der Dienstherr
Bevor man aus dem englischen Sprachgebrauch in den Unternehmen dieses Landes von menschlichen Mitteln sprach, benannte man die Ansammlung von Menschen die sich um Bewerber, Urlaubsverwaltung und im Idealfall um Fortbildung kümmerten „Personalabteilung“. Und wieder lohnt sich ein Blick in den Duden: „Gesamtheit von Personen, die bei einem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn in einem Dienstverhältnis stehen und besonders auf dem Gebiet der Dienstleistungen tätig sind“. Aha, ich stehe also bei einem Dienstherrn in einem Dienstverhältnis. Super.
In der Wikipedia wird „Personal“ schon etwas moderner beschrieben: „Mit Personal werden die von Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer bezeichnet, die innerhalb einer institutionell abgesicherten Ordnung (Arbeitsanweisungen) eine Arbeitsleistung gegen Arbeitsentgelt erbringen“.
Aber auch hier wird ein altes Bild verwendet. Arbeitsleistung gegen Entgelt, abgesichert durch Arbeitsanweisungen. Ich gehe also nur wegen der Kohle jeden Morgen ins Büro und lasse mir jeden Handgriff vorgeben. Wenn das wirklich so wäre … aber lassen wir das.
Krieg
Die Krönung der sprachlichen Verfehlungen in den Unternehmen dieser Zeit ist der so genannte „War of Talents“, mit dem der Fachkräftemangel oft bezeichnet wird. Krieg? Ernsthaft? Geht’s eigentlich noch?
Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sprach neulich medienwirksam in alter Gewerkschaft-Manier von Beschäftigten. Ich muss also mit irgend etwas beschäftigt werden. Möglicherweise bin ich sonst faul, oder stelle Blödsinn an.
Und dann haben wir da natürlich noch das alte Klischee vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der eine gibt, der andere nimmt. Die Rollen sind klar verteilt, oder? Nein, denn ich gebe dem Unternehmen jeden Tag meine wertvolle Lebenszeit, mein Know-how, meine Leidenschaft, usw.
Wir brauchen nicht nur neue Organisationsformen und agile Methoden, sondern auch zeitgemäße und vor allem anderen wertschätzendere Begriffe in der Arbeitswelt.
Macht der Worte
Welche Macht Worte haben können, wurde vor 8 Jahren im nachstehen Video emotional visualisiert. Das Video hat bis heute rund 27 Mio. Abrufe.
Das die Auswahl der Worte Wahrnehmung und Verhalten beeinflusst kennen wir vor allem aus der Werbung, aber auch aus der Psychologie. Das Aussprechen von Tabuwörtern löst körperliche Stresshormone aus und wenn auf der Tee-Packung „Tropical“ steht, schmeckt der Tee den Testpersonen nach besonders fruchtig und exotisch, wie in einem sehr interessanten Artikel zur „Macht der Worte“ auf zeit.de zu lesen ist.
Wer mit Worten arbeitet, muss die Macht verantworten.
Moritz Leuenberger
Gerade in der Führungsarbeit ist es wichtig die richtigen Worte zu finden, insbesondere wenn man als Vorbild wahrgenommen wird. Die Wahl der entsprechenden Begriffe geht häufig automatisch auf die Menschen im direkten Umfeld über und so startet die Verbreitung im Unternehmen, im Freundeskreis, dem Sportverein und in der Familie.
New Work und Mitgestaltung
Zurück zum neuen Arbeiten. Flache Hierarchien, Selbst- bzw. Mitbestimmung, agile Prozesse, hohe Transparenz und vieles mehr, werden häufig als Merkmale von New Work bezeichnet. Aber auch wenn eine Frau oder ein Mann selbstbestimmt in Sachen Arbeitsort und Arbeitszeit für ein Unternehmen aktiv ist, werden sie dennoch als menschliches Mittel bezeichnet. Das sollten wir ändern. Es geht um die Gestaltung der Zukunft, die nur dann gelingen kann, wenn auf Augenhöhe und mit entsprechender Wertschätzung innerhalb der Arbeitswelt kommuniziert wird.
Ich habe keine Patentlösung. Am Ende müssen die jeweiligen Begrifflichkeiten zur jeweils individuellen Situation und dem lokalen Sprachgebrauch passen. Bei uns in der Unternehmensgruppe werden die KollegInnen als MitgestalterInnen (gegenderd Mitgestaltende) bezeichnet. Es soll signalisieren, dass jede(r) mitgestalten kann, aktiv sein soll und darf, statt nur mitzulaufen, Arbeit zu nehmen oder einfach nur beschäftigt zu sein. Die Menschen die sich bei uns um vorhandene und noch zu gewinnende Mitgestalter kümmern, arbeiten unter dem Begriff „Mitarbeiter Services“. Es wird ein Service erbracht, für Bewerber, Kollegen und auch das Unternehmen selbst. Ich finde das gut. Beide Begriffe passen zur DNA des Unternehmens.
New Work benötigt eine passende Sprache
Möglicherweise gibt es noch bessere Begriffe. Jeder muss hier seinen eigenen Weg finden, etwas das zur Kultur im Unternehmen passt. Bei der Swisscom heißen Auszubildende, was sehr passiv ist (ich werde ausgebildet), Lernende was viel aktiver klingt (ich lerne etwas). Und im Englischen wird der Begriff der Co-Creation (Co-Creator), auch aufgrund von Design-Thinking- und ähnlichen Prozessmethoden immer häufiger verwendet.
OH-Moment
Aufgepasst bei alten Begriffen. New Work benötigt eine passende Sprache.
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