Was hat jetzt Bundesliga-Fußball und der vergleichsweise noch eher unbekannte Trainer mit diesem Blog zu tun? Viel. Thomas Tuchel ist in erster Linie Führungskraft und seine Arbeit und die Umsetzung seines Teams tragen extrem zum Erfolg und zur Außendarstellung der arbeitgebenden Aktiengesellschaft bei. Also ein Umfeld wie bei vielen anderen Firmen auch, nur das hier eben keine Software und keine Maschinen hergestellt werden. Warum lohnt es sich nun aber einen genauen Blick auf diesen Thomas Tuchel zu werfen?
Vergessen lernen als wichtige Eigenschaft zur Weiterentwicklung
In der Fußballszene war der Abschied des Jürgen Klopp von Borussia Dortmund ein ebenso großes Thema wie seine Nachfolge. Thomas Tuchel gilt als „Konzepttrainer“. Allein dieses Attribut stellt vieles in Frage, denn wenn dies bei dem neuen Dortmunder Chefcoach so hervorgehoben wird (nicht nur in Dortmund, frag mal bspw. in Leipzig, Gelsenkirchen oder Hamburg), bedeutet das dann das die anderen Trainer kein Konzept haben? Sicher nicht, aber hier haben wir jemanden mit modernen pädagogischen Ansätzen. Eine seiner wichtigsten Thesen: „Erfolg zu vergessen ist wichtiger als Misserfolg zu vergessen.“ Warum das so ist, erklärt er unter anderem dadurch, dass vergangene Erfolge auch eine Bürde sein können, auch oder gerade wenn man dafür Wertschätzung erfährt.
Viele denken das Thomas Tuchel in Dortmund auf Jürgen Klopp folgt und dies ein erfolgreicher Automatismus ist. Es wird dabei jedoch vergessen, dass Tuchel in Mainz nicht direkt Klopps Nachfolge antrat, sondern dazwischen Jörn Andersen erfolgreich den erneuten Aufstieg in die erste Bundesliga realisierte. Exakt hier beginnt die öffentlichkeitswirksame Karriere von Thomas Tuchel. Obwohl Andersen den Aufstieg geschafft hatte wurde er eine Woche vor Saisonbeginn entlassen und der bisherige A-Jugend-Trainer Tuchel als Cheftrainer installiert. Eine mutige Entscheidung des Manager Christian Heidel. Angeblich hatte die Trennung von Andersen in erster Linie mit dessen Art der Personalführung zu tun. Was dann passierte ist Bundesliga-Geschichte: Tuchel und sein Team wurden in der ersten gemeinsamen Saison 9. in der Abschlusstabelle. Im Folgejahr starteten die Mainzer mit sieben Siegen in Folge, waren einige Spieltage Tabellenführer und wurden am Ende Fünfter der Bundesliga.
Glück? Nein, sicher nicht. Der gebürtige Krumbacher hatte vom ersten Tag an klare Vorstellungen. Nicht nur in Sachen Taktik, Spielsystem etc. sondern vor allem auch wie eine Gemeinschaft miteinander umgeht und nach innen wirkt. Einen Einblick in die Anfangsphase und seine Regeln gibt uns Tuchel im Video oben.
Denkmuster aufbrechen
Zukunftsforscher Sven Gabor Janszky hat Thomas Tuchel nicht umsonst 2012 als Rulebreaker identifiziert und zu diesem Vortrag im Rahmen der Executive Days des Think Tank 2b.ahead eingeladen. Allein die im Video geschilderte Strategie der verschiedenen Spielsysteme, das Beschneiden des Spielfelds und die extreme Fokussierung zeigen deutlich auf, dass Tuchel tatsächlich die Dinge anders angeht.
Er spricht davon Denkmuster aufzubrechen. Das entspricht dem von mir favorisierten Customer Centricity Mindset bzw. dem dafür so wichtigen Perspektivwechsel. In Tuchels Beispiel zeigt sich warum das ein Erfolgsrezept sein kann. Zunächst gab es eine Marktanalyse und die Erkenntnis das es eine Notwendigkeit darstellt mit bisherigen Denkmustern zu brechen. Nachdem dies mit aller Konsequenz realisiert wurde, erklomm Tuchel mit seinem Team eine Vorreiterrolle. Unter Strich erwarb sich das Tuchel-Team einen Wettbewerbsvorteil insbesondere durch ein hohes Maß an Flexibilität.
Hirnforschung
Somit ist aber nicht sichergestellt, das nun in Dortmund der erwartete Automatismus greift und Tuchel ebenso erfolgreich sein wird wie sein Vorgänger Jürgen Klopp. Beim Traditionsclub, dessen Mannschaft mit Nationalspielern gespickt ist, kann er vermutlich nicht von Spiel zu Spiel sechs Positionen austauschen ohne das einer Medienmeute zu erläutern. Ok, das muss er auch dort nicht – seine erneute Marktanalyse wird andere Voraussetzungen und andere Bedürfnisse erkennen.
Helfen wird Tuchel unter anderem die aktuellen Hirnforschung, mit der er sich beschäftigt und deren Erkenntnisse er in seine Trainings- und Führungsmethoden mit einbezieht. So wird bspw. im Training sehr viel wiederholt, aber ohne die Einzuschleifen. Dies bedeutet wichtige Elemente werden täglich immer und immer wieder trainiert, aber die Übungen sind immer abweichend voneinander. Damit ergibt sich kein stumpfer Automatismus, sondern der Spieler (Mitarbeiter) erhält eine Hilfestellung um Abläufe aus dem Unterbewusstsein abzurufen und in einem Flow-Zustand zu kommen.
Die Herausforderung wird sein Kleinigkeiten zu verändern und dennoch konsequent den eigenen Weg zu gehen. Apropos Herausforderung. Tuchel bezeichnet sich und sein neues Team in der PK anlässlich seiner Vorstellung mehrfach als Herausforderer.
Ich habe in meinem Leben schon einige PKs gesehen bei denen neue Trainer bei „großen“ Vereinen vorgestellt wurden, man denke nur an die Inszenierung von Jürgen Klinsmann in München. Selten jedoch hat ein Trainer so reflektiert, respektvoll und zurückhaltend die Situation analysiert und dabei dennoch klar gemacht worum es für den Verein geht.
Bedarf antizipieren
Sicher hat der Leiter der wichtigsten Abteilung der Borussia Dortmund GmbH & Co.KGaA seine zukünftigen Mitarbeiter aus der Ferne analysiert, allerdings hat er erstaunlicherweise keine (öffentlichen) Forderungen an Verstärkungen. Vielmehr spricht er von einer wesentlichen Fragestellung die in jedem Unternehmen vorhanden sein sollte. „Ist jeder an seinem richtigen Platz?“. Er wird auch wieder sehr genau den Bedarf antizipieren, in dem er Annahmen zum Wettbewerb (anderen Mannschaften) erstellt und daran seine Mitarbeiter ausrichten. Er will sie in einem festen Gerüst platzieren und dabei dennoch flexibel bleiben um ihnen so zu helfen, ihre Stärken ausspielen zu können und im Handeln zu bleiben (agieren statt reagieren). Tuchel nennt das „Players Game“, weil seine Mitarbeiter soviel Talent haben und im Vorfeld alles dafür getan wurde das sich der Erfolg einstellen kann. So sollte das auch in jedem Unternehmen sein. Aus- und Weiterbildung, Rahmenbedingungen, Freiheitsgrade und Vertrauen, auf der anderen Seite Loyalität, ein Höchstmaß an Identifikation mit dem Arbeitgeber und dem eigenen Team.
Thomas Tuchel spricht in der PK davon die Mitarbeiter kennen lernen zu wollen, klar, meint aber im Wesentlichen Dinge wie Gruppendynamik, Umgang miteinander, soziales Verständnis und vieles mehr. Es ist deutlich zu hören das da ein sehr reflektierter Mensch weiß welche Chance sich ihm selbst bietet, wie er diese angehen möchte und dabei auf zurückhaltende Art ausreichend Selbstvertrauen ausstrahlt und am Ende zum Ergebnis kommt „ich bin der Richtige“.
Dieses Selbstbewusstsein kann Tuchel durchaus haben. In der Gesamttabelle der Bundesliga über alle fünf Jahre in denen Tuchel Mainz 05 trainiert hat, belegt Mainz den fünften Rang. Unter Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des Clubs ist dieses Ergebnis über ein halbes Jahrzehnt geradezu sensationell.
Nun weiß ich natürlich nicht wie der Chef Tuchel mit seinen Mitarbeitern umgeht, zumal es sicher nicht einfach ist ein Team anzuleiten in dem jeder Millionär ist und die meisten unter 30 sind. Eine Kombination an der schon andere gescheitert sind. In seinen fünf Jahren in Mainz hat er jedenfalls außergewöhnliches geleistet und es ist durchaus zu erwarten das er in Dortmund auch Erfolg haben wird.
Unabhängig davon kann seine Herangehensweise an die Aufgabenstellung vielen Führungskräften als Beispiel dienen.
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