dmexco 2015 – Das große Klassentreffen. So würde eine TV-Doku über die größte Messe in Sachen Online-Vermarktung heißen. Alle sind da, freuen sich über das Wiedersehen, aber eine Weiterentwicklung ist nicht zu beobachten. Alles wie immer, die Branche feiert sich selbst.
Die dmexco beschreibt sich selbst als „weltweite Leitmesse und Konferenz für die digitale Wirtschaft“. Seit dem Umzug vor sechs Jahren nach Köln ist diese Messe eine Erfolgs …, oh Entschuldigung, sucess story. Jedes Jahr wächst die Ausstellungsfläche, die Anzahl der Aussteller und natürlich auch die Besuchermassen. „881 Aussteller, 500 Top-Speaker und ein neuer Besucherrekord von 43.384 Fachbesuchern“ so berichtet die Koelnmesse GmbH über den jüngsten Erfolg. 36% mehr Besucher als im Vorjahr, rund ein Drittel davon aus dem Ausland. Beeindruckende Zahlen.
Schlammschlacht
Aber das Wachstum erzeugt auch Probleme, insbesondere bei der Organisation. Jochen Kalka, Chefredakteur der W&V, beschreibt in seinem Artikel „dmexco mit anderen Augen: Schlammschlacht in Köln“ die Situation exakt so, wie ich sie selbst erlebt habe. Der Inhalt eines ganzen ICE passt nun mal nicht in einen Shuttle-Bus, auch nicht in zwei. Das die Haltestelle bei Regenwetter von Schlamm umgeben ist, macht das Warten nicht besser. Der Takt wird mit 15 Minuten angegeben, die Information erzeugt eine wage Vorstellung der potenziellen Wartezeit bei Hunderten von Zugfahrern die gleichzeitig des Weges kommen. Wobei dies noch das kleinste Problem für mich war, denn ich laufe die Strecke (ca. 15 Min Fußweg) immer.
Analog zur Digitalmesse
Als ich dann den Messekomplex erreicht hatte, bot sich das von Herrn Kalka beschriebene Bild. Extrem lange Schlangen an den Garderoben (zum Glück hatte ich keinen Bedarf) und eine riesige Menschenmenge vor dem Eingang zur Messe. Es gab ca. 12 Eingänge, an denen der Besucher den QR-Code seines Tickets vor ein Lesegerät hält und innerhalb von einer Sekunde das Ticket ausdruckt. Eigentlich beste Voraussetzungen für eine schnelle Abfertigung der Massen. Zwei Gründe aber verhinderten den zügigen Zugang, ein analoger und ein digitaler. Wenden wir uns erst dem digitalen Hindernis zu. Was tut ein „moderner“ Mensch wenn er irgendwo warten muss? Richtig, er holt das Smartphone aus der Tasche und tut was auch immer damit. In diesem Fall gestaltete sich dieser Umstand derart, dass rund 50% der Menschen nicht aufrückte wenn es weiter vorne Bewegung gab, da man dies beim Betrachten des Smartphone gar nicht mitbekam. Derart ausgebremst dauerte es also unnötig lange bis ich selbst in die Nähe der Zugänge kam. Dann die Überraschung, gefühlte 90% der Menschen um mich herum holten ein ausgedrucktes Ticket aus der Tasche und verlangsamten die Abfertigung weil das Ticket noch nicht aufgefaltet war, zu knitterig für den Scanner, und und und. Fast alle der Besucher der digitalen Leitmesse kommen mit einem analogen Ticket. Kannst dir nicht ausdenken. Unnötig zu erwähnen das es, wie in meinem Fall genutzt, durchaus die Möglichkeit gab ein digitales Ticket downzuloaden und bspw. im iOS Passbook zu speichern.
Nutzen Messemacher Wetter-Apps?
Bevor wir zur Messe und dem eigentlichen Inhalt kommen ein letzter Hinweis zur Organisation. Wie viele Besucher die zum x.-mal die dmexco besuchten, hatte ich mir im Vorfeld über die Verpflegung gemacht. Eine Flasche Wasser wollte ich mir mitnehmen. Vergessen. Es gab aber direkt nach dem Eingang die Möglichkeit Getränke zu kaufen. 0,5 Liter stilles Wasser für 3,80 Euro. Ok, Messepreis. Normalerweise ist das Thema Essen trotz der Besuchermassen ganz gut organisiert, im Inneren gibt es das „Selbstbedienung-Restaurant“ und zwei Asia-Food-Stände, die allerdings mit langen Wartenschlangen aufwarten. Im Freien, zwischen den Hallen, boten in den vergangenen Jahren diverse Würstchenbuden u. ä. ihre Waren feil, so dass sich die hungrigen Bäuche ganz gut verteilten. Nun regnete es aber an diesem Tag nahezu durchgängig. Etwas das meine Wetter-App einige Tage zuvor angekündigt hatte. Für die Organisatoren aber kein Grund sich über den Außenbereich Gedanken zu machen. Einige wenige Wagemutige bzw. wasserfeste Besucher standen im Regen trotzdem für eine Wurst an, aber die meisten stellte sich in die sowieso sehr langen Schlangen im Trockenen an. Übertroffen phasenweise nur von den Schlangen an den Damentoiletten. Ich hatte an dem Tag sechs Termine, relativ kurz getaktet um den Tag möglichst effektiv zu nutzten und dazwischen keine Stunde Zeit um mich für einen überteuerten Snack anzustellen. So blieb ich zunächst hungrig – wie viele andere auch.
Stimmt die Richtung?
Eine Leitmesse soll ja durchaus auch anleiten, die Richtung vorgeben, Trends transparent machen und den Besucher mit neuen Impulsen nach Hause schicken. Impulse habe ich jede Menge mitgenommen, vor allem aber aus meinen persönlichen Gesprächen, die nichts mit der Messe zu tun hatten. Zugegeben, das Konferenzprogramm ist enorm, 500 Speaker unterhalten an beiden Tagen durchgängig, aber auch dieses Angebot ist überladen. Die Räume für die Vorträge voll, so voll, dass teilweise der Zugang verwehrt blieb.
Die Messe ist noch größer geworden, sie ist laut (gemessen wurden in den Hallen kontinuierliche 90 db) und die schmalen Gänge überfüllt. Wie bei jeder Großveranstaltung war auch in Köln zu beobachten das es unfassbar viele Menschen für schlau halten mitten im engen Gang im Pulk stehen zu bleiben und sich zu unterhalten. Was allerdings die Anbieter an neuen Produkte, Dienstleistungen & Co. zeigen wollten blieb oft verborgen. Dies war vor wenigen Jahren noch anders, wie gesagt, einfach zu voll. Das hat natürlich auch etwas mit dem kostenfreien Eintritt zu tun, wer nichts zahlt ist das Produkt und darf sich nicht beschweren.
Es geht um Content Marketing, Targeting, Mobile Advertising, Forecasting, Calltracking, uswing. Aber geht es auch um Kunden, Kundenbedürfnisse, Gedanken und Erkenntnisse über spezielle Wertegemeinschaften, um Dialog statt Werbebotschaft? Nein, darum geht es nicht und ich frage mich mehr denn je, wann kommt das Umdenken? In 99% aller Fälle nervt den Consumer die Werbung einfach nur. Stupide Banner, nerviges Fullscreen-Advertisting und viele weitere Formen sind aber nicht tot zu kriegen. Deshalb nutzen in Deutschland sehr viele Menschen einen AdBlocker. Darüber habe ich auf der dmexco aber nichts gehört oder gesehen. Dabei war das Thema brandheiß, denn just am ersten Messetag veröffentlichte Apple iOS 9, welches Millionen Usern weltweit die Möglichkeit gibt auf ihrem Smartphone AdBlocker zu nutzen. Ich hätte mir eine Anleitung oder Impulse zur Frage gewünscht welche Lösungen es gibt Traffic zu monetarisieren, und zwar mit passenden Formaten, die der User nicht blockt, da sie einen Wert für ihn haben.
AdBlocker kein Thema – Big Data?
Alle sprechen über Big Data und in diesem Kontext auch von Datenschutz. Aber mal ehrlich, so lange das Targeting so mies ist wie es mir zumeist begegnet, brauchen wir uns nicht all zu große Sorgen machen. Jeder kennt unter anderem das Phänomen der wochenlangen Werbung für ein Produkt, welches man schon lange gekauft hat. Ein Cookie ist am Ende doch nicht so intelligent. Wenn es den Werbetreibenden und ihren beratenden und ausführenden Agenturen nicht gelingt zu verstehen, dass reine Werbung den Verbraucher nur noch selten erreicht, wird es schwer. Gerade auf mobilen Endgeräten und in Zeiten von Social Media und WhatsApp. Die vermeidliche Werbung muss gut, intelligent und interessant sein. Sie muss dem Empfänger einen Mehrwert liefern. Ein Fernsehabend zeigt aber eindrucksvoll auf, dass dies offensichtlich niemand versteht. Ein Spot schlechter als der andere flimmert über den Smart-TV, genauso wie vor 40 Jahren. Nur in Farbe und HD. Ok, Werbung im Netz ist heute sehr oft Bewegtbild. Aber macht es das besser? Mich nervt es tendenziell noch mehr, wenn ein Video startet was ich nicht sehen will. Egal ob First oder Second Screen, solange Content reine Werbung mit trivialen Botschaften ist, wird umgeschaltet oder weggeklickt.
Gerade um dieses Dilemma zu lösen benötigt der Markt Leitbilder, innovative Ansätze und Menschen die angstfrei Ideen ausprobieren können und dürfen. Dies wäre die Aufgabe einer Messe wie der dmexco und ihrer Aussteller. Aber am Ende verhält sich die Messegesellschaft genauso wie die meisten ihrer Aussteller. Man hält sich für super digital, feiert sich selbst und vergisst die Kundenbedürfnisse zu erkunden und sich auf diese einzustellen.
Für mich persönlich ist die dmexco nur noch eine perfekte Gelegenheit viele tolle Menschen an einem Tag zu treffen, statt durch Deutschland zu reisen und in Berlin, München oder Hamburg einzelne Termine zu machen. Denn in der Tat, es ist Klassentreffen und sie sind alle da. Bestimmt auch nächstes Jahr.
Wenn Du bis an diese Stelle gelangt bist, hast Du mir und meinen Gedanken Zeit gewidmet. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken, denn Zeit ist ein sehr wertvolles Gut. Solltest Du das Gefühl haben, dass die Zeit gut investiert war, dann teile doch bitte den Artikel über ein Social Network Deiner Wahl. Einfach den Share-Button unterhalb dieser Zeile anklicken. Vielen, vielen Dank.